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Positionen zur Dienstleistungsforschung

Das Deutsche Forum Dienstleistungsforschung (DF)² stellt Positionen zur Zukunft der Dienstleistungsforschung und -wirtschaft vor: Die Dienstleistungswende als Chance für die Wertschöpfung und Beschäftigung der Zukunft.

Die Zukunft der Wertschöpfung steht vor neuen Herausforderungen

Die Weltwirtschaft steht vor Veränderungen: Künstliche Intelligenz verändern Prozesse, die Datenökonomie schafft neue Geschäftsmodelle, Vernetzung schafft Möglichkeiten zur Globalisierung und die Notwendigkeit für Nachhaltigkeitsbestrebungen führt zu neuen Werten in der Gesellschaft. Gleichzeitig zeigen der Handelskrieg zwischen den USA und China und die COVID-19-Pandemie die Schwächen des globalen sowie nationalen Wertschöpfungssystems auf und skizzieren das Szenario einer globalen „Bifurkation“. Diese Fragmentierungen stellen für Deutschland kritische Belastungsfaktoren dar und die vorherrschende Wertschöpfung in Frage. Sie bietet zugleich aber auch die Chance für eine Neuausrichtung bisheriger Sichtweisen auf Produktion, Dienstleistung und Arbeit, die die „Zukunft der Wertschöpfung“ maßgeblich prägen werden.

"High-Tech Meets High-Touch: Die Dienstleistungswende als Chance für die Wertschöpfung und Beschäftigung der Zukunft"

Das Wettrennen um die Technologieführerschaft und die Digitalisierung entfalten ihre Wirkung in allen Branchen: Angefangen in der Automobilindustrie am Beispiel von Tesla, über die Monopolisierung von Handelsplattformen wie Amazon, bis hin in den privaten Alltag der Bürger*innen, der durch soziale Netzwerke und Medien wie Facebook, lnstagram, TikTok oder Netflix geprägt wird. Gleichzeitig zeigt die COVID-19-Pandemie die nationale Leistungsfähigkeit auf: Einerseits wurden die Grenzen der Resilienz von systemrelevanten Branchen wie Gesundheit, Handel und Bildung deutlich, andererseits aber auch die Chancen der Konvergenz der digitalen und physischen Welt. In der Realisierung genau dieser Chancen liegt die Hauptherausforderung für den Standort Deutschland.

Die vorliegende Studie greift eine zentrale Debatte über die Kompetenzen der Dienstleistungsforschung in der Gestaltung der „Wertschöpfung von morgen“ auf. Durch das prognostizierte Wachstum von gehandelten Dienstleistungen von 6,1 Billionen US-Dollar (2019) auf 8,0 Billionen US-Dollar bis in das Jahr 2025 (31 % Wachstum), steigt die Bedeutung für den Dienstleistungsmarkt mit der gleichzeitig höchsten Beschäftigungsrate (Western Union Company 2020). Insbesondere digitale Dienstleistungen werden ausgelöst durch die COVID-19-Pandemie einen Aufschwung erfahren. Das Ziel der Untersuchung ist es daher, Forschungsfelder aufzuzeigen, die die deutsche Wirtschaft, die künftige Arbeitswelt und das Miteinander der Bürgerinnen und Bürger maßgeblich beeinflussen werden. Die Untersuchungsergebnisse zeigen auf, wie künftige Forschungsaktivitäten nicht nur die Dienstleistungswirtschaft, sondern in allen Branchen einen Beitrag leisten können. Dafür hat das Projektkonsortium bestehend aus Forscher*innen gemeinsam mit dem Projektträger Karlsruhe zahlreiche nationale und internationale Expertinnen und Experten aus Forschung und Praxis befragt, existierende Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Literatur analysiert und die resultierenden Ergebnisse wissenschaftlich aufgearbeitet und konsolidiert.

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Entwicklungslinien, Forschungsfelder und Empfehlungen für die Dienstleistungsforschung

Das Ergebnis der Studie sind 4 Entwicklungslinien, 6 Forschungsfelder und 5 Empfehlungen.

4 Entwicklungslinien (I – IV)

...entlang derer neue Wertschöpfungsmodelle entstehen und die maßgeblich durch Dienstleistungskompetenz und Digitalisierungskompetenz getrieben werden (oder plakativ: „High Tech meets High Touch“)

"Dienstleistungen repräsentieren heute den bedeutendsten Wirtschaftssektor in Deutschland. Die Digitalisierung verändert die Sektoren in rasantem Tempo und Dienstleistungskompetenz wirkt zunehmend in allen Branchen. Wenn Deutschland die Zukunft aktiv gestalten will, müssen Politik, Wissenschaft und Wirtschaft jetzt tätig werden. Der Schlüssel für die wettbewerbsfähige „Wertschöpfung von morgen“ ist entschlossenes und gemeinsames Handeln in Forschung und Umsetzung, um vier prioritären Entwicklungslinien gerecht zu werden."

I. Die Logik von Dienstleistungen fordert eine konsequente Orientierung am Nutzen für Kund*innen und Bürger*innen, die durch Digitalisierung neu umsetzbar wird.

Wertschöpfung aus Sicht von Dienstleistungen setzt konsequent bei den Kund*innen und Nutzer*innen der Leistungen an. Nur was ihnen hilft, was sie voranbringt, ist wirklich Wertschöpfung. Was bisher manchmal Lippenbekenntnis blieb, lässt sich durch die Chancen der Digitalisierung viel weitreichender umsetzen: Jede*r Nutzer*in bekommt eine individuelle Lösung - wann, wie und wozu er/sie will und zu einem individuellen Preis. Alles wird perspektivisch zur individualisierten, kontextualisierten Dienstleistung, die nutzungsbasiert abrechenbar und skalierbar ist. Die Dienstleistungsforschung analysiert, wie Wertschöpfung konsequent auf Nutzung und Wirkung ausgerichtet wird - nicht nur in Bezug auf einzelne Nutzer*innen, sondern auch im Hinblick auf gesamtgesellschaftliche Ziele. Dienstleistungsforschung will verstehen, wie Wertschöpfungsmodelle gleichzeitig an gesellschaftlichen Zielen wie nachhaltiger Ressourcenverwendung, Dekkarbonisierung und sozialen Standards orientiert und wirtschaftlich erfolgreich werden können.

Wie müssen wir dafür neu definieren und messen, was wir unter Qualität von Wertschöpfung verstehen? Welche Akteure müssen für neue Lösungen zusammenwirken? Welchen Beitrag können Kund*innen und Nutzer*innen selbst leisten?

II. Dienstleistungen zeichnen sich durch eine interaktive Wertschöpfung aus, die erst durch Digitalisierung ermöglicht und skalierbar wird.

Nur durch Interaktion gelingen individuelle Leistungen. So können Werteversprechen eingelöst und ein positives Kundenerlebnis geschaffen werden. Dabei geht es nicht nur um Funktion, sondern auch um Emotion. Dienstleistungsforschung erarbeitet Gestaltungswissen, wie durch die Möglichkeiten der Digitalisierung völlig neuartige interaktive Wertschöpfungsprozesse gestaltet werden können.

Wie können solche Prozesse und die Arbeit darin durch Assistenzsysteme und hybride Intelligenz aufgewertet werden? Wie können sie transparent und nachvollziehbar gestaltet werden? Wie gelingt das Zusammenspiel qualifizierter Mitarbeitender, Kund*innen und digitaler Systeme bestmöglich?

III. "Everything-as-a-Service" ist der Kern diskontinuierlicher digitaler Wertschöpfungsmodelle.

Digitale Wertschöpfungsmodelle werden als diskontinuierlich erlebt, weil sie mit Ansichten des Wettbewerbs über traditionelle Produkte und Dienstleistungen brechen. Neben der konsequenten Wirkungs- und Nutzerzentrierung erlaubt es die Digitalisierung, Wertschöpfung um einen hoch flexiblen Kern von Software und Daten herum zu konstruieren. Dadurch verschmilzt Innovation mit dem laufenden Betrieb zu einem Weg kurzzyklischer Erneuerung im realen Markt und ermöglichten den digitalen Betrieb einer physischen Welt. Digitalunternehmen erneuern digitale Dienstleistungen teilweise im Minutentakt und immer mehr Unternehmen aus traditionellen Branchen adaptieren diese Vorgehensweise. Sie loten gelingende Leistungsangebote experimentell im direkten Kontakt mit Kunden aus. Dies führt zu einer ganz neuen Geschwindigkeit der Veränderung und der Erprobung von Innovationen.

Gleichzeitig können über solche hoch dynamischen Innovationsprozesse auf Grundlage modularer Architekturen Schlüsselkomponenten digitaler Wertschöpfungsnetzwerke erkannt, gestaltet und kontrolliert werden. Dies können beispielsweise Vermittlungsfunktionen auf Plattformen oder wiederverwendbare Cloud-Dienste sein. Solche Komponenten sind im Unterschied zu traditioneller Wertschöpfung hoch skalierbar und oft auch internationalisierter. Und sie sind entscheidend für die Gestaltung großer Wertschöpfungsnetzwerke. Wer diese Komponenten kontrolliert, weiß zudem, welche Anteile traditioneller Wertschöpfung hoch profitabel sind und kann die digitale Wertschöpfung selektiv in solche ausgewählten Anteile nicht-digitaler Wertschöpfung verlängern. Der Startpunkt dafür liegt aber immer im Digitalen und darin liegt die Herausforderungen für die Unternehmen, die mit traditionellen Wertschöpfungsmustern erfolgreich geworden sind. Dieser „Wettbewerb im Informationsraum“ (Boes et al. 2018) [CG1] [TB2] kommt einem Paradigmenwechsel für Wertschöpfung der Unternehmen gleich. Wie wir solche Wertschöpfungsarchitekturen und -formen konsequent vom Digitalen her gestalten, ist eine Schlüsselfrage der Dienstleistungsforschung. Dazu reicht eine einfache digitale Erweiterung klassischen Engineerings nicht aus - sei es für Maschinen, Software oder Dienstleistungen.

Gleichzeitig können über solche hoch dynamischen Innovationsprozesse auf Grundlage modularer Architekturen Schlüsselkomponenten digitaler Wertschöpfungsnetzwerke erkannt, gestaltet und kontrolliert werden. Dies können beispielsweise Vermittlungsfunktionen auf Plattformen oder wiederverwendbare Cloud-Dienste sein. Solche Komponenten sind im Unterschied zu traditioneller Wertschöpfung hoch skalierbar und oft auch internationalisierter. Und sie sind entscheidend für die Gestaltung großer Wertschöpfungsnetzwerke. Wer diese Komponenten kontrolliert, weiß zudem, welche Anteile traditioneller Wertschöpfung hoch profitabel sind und kann die digitale Wertschöpfung selektiv in solche ausgewählten Anteile nicht-digitaler Wertschöpfung verlängern. Der Startpunkt dafür liegt aber immer im Digitalen und darin liegt die Herausforderungen für die Unternehmen, die mit traditionellen Wertschöpfungsmustern erfolgreich geworden sind. Dieser „Wettbewerb im Informationsraum“ kommt einem Paradigmenwechsel für Wertschöpfung der Unternehmen gleich. Wie wir solche Wertschöpfungsarchitekturen und -formen konsequent vom Digitalen her gestalten, ist eine Schlüsselfrage der Dienstleistungsforschung. Dazu reicht eine einfache digitale Erweiterung klassischen Engineerings nicht aus - sei es für Maschinen, Software oder Dienstleistungen.

Welche Mechanik bestimmt diskontinuierliche digitale Wertschöpfung? Wie wird diese neue Form der Wertschöpfung erkennbar und greifbar? Welche Mechanismen unterstützen die Gestaltung dieser Modelle? Wie werden diese Wertschöpfungsmodelle in der Nutzung betrieben und weiterentwickelt? Wie können Wertschöpfungssysteme modelliert und simuliert werden, um potenzielle Auswirkungen und Maßnahmen frühzeitig zu evaluieren und auszuwählen?

Neben diesen drei Entwicklungslinien, die in allen Bereichen von Wirtschaft und öffentlichen Leistungen greifen, nimmt eine vierte Entwicklungslinie in den Blick, vor welchen Herausforderungen gerade die traditionellen Dienstleistungsbranchen stehen, die für ca. 70 % der Beschäftigung in Deutschland stehenausmachen.

IV. Dienstleistungsforschung fördert die digitale Innovation und Transformation in bürgernahen, beschäftigungsstarken und systemrelevanten Dienstleistungsbranchen.

Gesellschaftlicher Wandel und Digitalisierung erfassen viele Dienstleistungsmärkte besonders stark. Viele dieser privaten und öffentlichen Dienstleistungen sind gesellschaftlich notwendig und besonders im Alltag der Bürger*innen verankert und systemrelevant für unsere Gesellschaft, z.B. im Bereich Mobilität, Gesundheit oder Medien. Digitalisierung forciert eine grundlegende Transformation dieser Dienstleistungen. Der Erfolg globaler Plattformen wie Amazon, Uber oder Netflix fordert die Suche nach Alternativen mit einer wettbewerbsfähigen Offenheit für Skalierung und einer gesellschaftlichen Verantwortung wie Fairness und der Orientierung an Standards. Von Forschung und Innovation in diesem Bereich hängt der wirtschaftliche Erfolg beschäftigungsstarker Branchen genauso ab wie eine nationale oder europäische Dienstleistungssouveränität. Dabei reicht tTechnologische Souveränität reicht heute nicht mehr aus, weil sich die Marktmacht internationaler Akteure wie Plattformbetreiber nicht aus der Technologie allein, sondern auch aus den Netzwerk- und Verbundeffekten der daraus entstehenden Dienste und ihrer breiten Nutzerbasis ergebenspeist.

Wie können digitale Wertschöpfungsmodelle und -prozesse in diesen Märkten nach europäischen Werten gestaltet werden? Wie können Transformationsstrategien für solche Dienstleistungen gelingen? Wie kann Beschäftigung in diesen Branchen gesichert und weiterentwickelt werden?

6 Forschungsfelder (1 – 6)

...die verdeutlichen, wie eine zukunfts- orientierte Dienstleistungsforschung beitragen kann, die Chancen für Gesellschaft und Wirtschaft zu realisieren und gleichzeitig die damit einhergehenden Risiken zu beherrschen.

"Konkret kommen neue Dienstleistungskompetenz und Digitalisierung in sechs Forschungsfeldern zusammen, in denen gezielte Forschung ebenso wie beherztes Handeln von Forschung, Wirtschaft und Politik im Verbund erst „moderne“ Wertschöpfung ermöglicht und deutsche Dienstleistungen wettbewerbsfähig macht – nicht nur in traditionellen Dienstleistungsbranchen, sondern zunehmend auch in produktorientierten Branchen („Servitization“)."

forschungsfelder

4 Empfehlungen (A-D)

...für die Forschungsförderung wurden entwickelt, die die inhaltlichen Ausprägungen der Forschungsfelder (des „Was?“) um zukunftsfähige Formate der Förderung (dem „Wie?“) ergänzen.

"Soll öffentliche Förderung die entsprechende Neuausichtung der Dienstleistungsforschung beschleunigen und verstärken, müssen sich Forschungsformate gleich- zeitig mit den Inhalten wandeln. Forschungspolitisch sind wichtige Weichen zu stellen, um Unternehmen als Innovationsträger der Wertschöpfung von morgen zu fördern und der Innovationsgeschwindigkeit gerecht zu werden."

Forschung & Förderung im Kleinen – Experimente und Pilotierungen erfordern flexible Förderformate und den Abbau von Eintrittsbarrieren

A. Ausbau kurzfristiger und kurzzyklischer Förderformate für flexible Forschungsvorhaben

B. Eintrittsbarrieren für neue Partner abbauen

Forschung & Förderung im Großen – Forschungscluster sind für den Aufbau und Verstetigung von Wertschöpfungsinnovationen notwendig

C. Aufbau langfristiger High-Tech- & Kompetenzcluster für die stärkere Vernetzung von Forschungsprojekten

D. Förderung von Verbünden nicht-öffentlicher und öffentlicher Partner, um ökonomische, ökologische und soziale Ziele auszutarieren

Unser Positionspapier bietet einen detaillierten Einblick in die dargestellten Positionen:

Ansprechpartner

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Prof. Dr. Tilo Böhmann

tilo.boehmann@uni-hamburg.de

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Prof. Dr. Gerhard Satzger

gerhard.satzger@kit.du

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Prof. Dr. Angela Roth

angela.roth@fau.de

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Hintergrund zum Projekt DL2030

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